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Feministisches Streikkollektiv – Das ist unser Platz!

Das ist unser Platz!

Während einige die Corona-Krise als „Stillstand“ oder „Auszeit im Home-Office“ erleben, verschärfen sich für die Sorgearbeitenden in Krankenhäusern, Senior*innenheimen, Kitas, für die ambulant, bezahlt und unbezahlt Pflegenden, für die Betreuenden und Fürsorgenden die ihnen schon lange bekannten Krisen. Die Krisen, die wir schon seit Jahren unter Pflegenotstand, Care-Krise, „Betreuungslücke“ usw. kennen. Erst mit der Pandemie wird augenscheinlich deutlich, dass die Gesellschaft auf ein funktionierendes System für Gesundheit und Sorge umeinander angewiesen ist. Zumindest Berufe aus diesen Bereichen gelten jetzt als „systemrelevant“ – als wären sie es erst durch die Pandemie geworden!

Beklatscht und mit Dank bedacht sollen sie werden. Doch statt echter Wertschätzung herrschen weiterhin Überlastung, Unterfinanzierung, Personalmangel, niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Ein Großteil der hier Beschäftigten sind Frauen* und Queers; darunter insbesondere auch migrantische Personen, die die weiße Schein-Emanzipation an vielen Stellen erst ermöglichen. Je prekärer der Job, desto größer der statistische ‚Frauenanteil‘. Ihre* Arbeit wird nicht angemessen gewürdigt oder entlohnt. Und auch im privaten Raum wird die unbezahlte Sorgearbeit Frauen, Lesben, intergeschlechtlichen, nicht-binären, trans und ageschlechtlichen Personen (FLINTA*) zugeschrieben und überlassen – all denjenigen, die unter patriarchalen Verhältnissen am meisten leiden und deren Sein und Sorgen ausgebeutet werden.

In der Krise zeigt sich das, was schon lange klar sein sollte: Sorge-Arbeit betrifft uns alle und geht jede*n von uns etwas an! Wer zieht die Kinder auf, wer pflegt die Kranken, wer schenkt Freund*innen ein offenes Ohr und wer sorgt sich um die Unversehrtheit unserer Umwelt? Wer hat wie Zugang zu Versorgung? Und wer sorgt eigentlich für jene, die für uns sorgen?

Während Woche um Woche Maßnahmen verhängt werden, die eine baldige Rückkehr zum „Normalzustand“ ermöglichen sollen, sagen wir: Wir wollen nicht zurück zum bisherigen Normalzustand –  wir wollen grundlegende Veränderung. Wir fordern unseren Platz ein! Wir fragen, wem gefällt und wem nützt dieser Normalzustand, der auf der Ausbeutung von Arbeiter*innen, der rassistischen Ausgrenzung von Schwarzen und People of Color, der patriarchalen Unterdrückung aller, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem einordnen wollen oder können, und der Ignoranz gegenüber Reproduktionsarbeit beruht? Wir streiken! Das ist unsere Gesellschaft, das ist unser Platz!

Wir fordern Platz für Sorge in dieser Gesellschaft, denn die Krise zeigt uns, dass der „Normalzustand“ auf der Missachtung der Sorgetragenden basiert. Bezahlte und unbezahlte Sorge muss in ihrer systemrelevanten und gesellschaftstragenden Bedeutung anerkannt und aufgewertet werden. Wir brauchen politische Bedingungen, die – auch in Krisenzeiten – die Sorge füreinander sichern und als gemeinsame Aufgabe aller gestaltbar machen – und das jenseits kapitalistischer Logiken.

Zum diesjährigen internationalen Frauen*kampftag am 8. März möchten wir – das feministische Streikkollektiv FFM – uns mit all jenen solidarisch zeigen, die Tag für Tag diese Sorgearbeit leisten, von der wir alle abhängig sind. Am 8. März 2021 werden wir zwischen 15:30 – 17:00 Uhr an der Hauptwache unseren Streikposten aufstellen und zeigen: Das ist unser Platz! In dieser Zeit seid ihr eingeladen, vorbeizuschauen, miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam für mehr Sichtbarkeit der Sorgearbeit – und von wem sie wie verrichtet wird – im öffentlichen Raum einzustehen. Wir schaffen einen Patz für Information und Kampf, wir hören Beiträge und Erfahrungen aus dem (Care-)Alltag, wir versammeln Stimmen von Care-Arbeitenden, die wir in unserer Aktionswoche vom 1.-7. März bei kämpferischen Mittagspausen in unterschiedlichen Betrieben gesammelt haben.

Wir verstehen uns als Teil transnationaler feministischer Kämpfe, wir sind organisiert im bundesweiten F*Streik-Bündnis, mit unserer diesjährigen symbolischen Platzbesetzung unterstützen wir außerdem die bundesweite Kampagne von CareRevolution „Ein Platz für Sorge“und nicht zuletzt schließen wir uns kollektiv um 17 Uhr der Kundgebung (all gender) an der Alten Oper und um 18 Uhr der Demo (FLINTA* only) an und rufen gemeinsam „Kein Zurück zur NORMalität – aus der Krise in die Utopie“.